Zum Autor Dr. Everling und Lempka
Dr. Everling als Direktor einer Rating Agentur und Lempka als CEO der ayondo Holding amten als Herausgeber eines Sammelbandes von 21 Aufsätzen über den Megatrend Digitalisierung. Welche Innovationen und Geschäftsmodelle werden die Finanzindustrie von morgen beherrschen? Werden Experten durch Autoritätsverlust bedroht und durch Robo-Advisors ersetzt? Solche Fragen werden von Entscheidungsträgern aus der Industrie, aber auch von Inkubatoren und Venture Capitalists, von Consultants und Wirtschaftsjournalisten erörtert und die Konsequenzen untersucht. Künftige Berater benötigen wohl auch Kompetenz für digitale Zusammenhänge und lassen ihre Kunden mitbestimmen. Und Banken werden zu Technologiefirmen, die auch Finanzdienstleistungen anbieten (analog Barclays Bank).
Buchzusammenfassung
Kunden werden anspruchsvoller und haben ein erhöhtes Informationsbedürfnis als früher. Statt sich zu überlegen, wie bestehende Produkte «an den Mann» gebracht werden können, müsse viel mehr überlegt werden, was ein Kunde benötige und wie man es ihm ermöglichen könne, so Frank Niehage. «Das Ende der Bankberatung» lautet ein anderer lesenswerter Aufsatz. Christian Rieck sieht zwei Problemfelder: Eine gute Beratung werde verhindert, erstens durch den Regulator und zweitens, weil Berater keinen Anreiz dazu hätten und ihnen das Knowhow fehlen würde.
Eine Erosion des Expertentums lässt sich verschiedentlich nachweisen – aber ob sentiment und social trading tatsächlich Trends sind, die dem Anleger nachhaltigen Mehrwert generieren, ist offen. Die Wachstumszahlen im Robo Advising sind zwar hoch, aber noch sind es erst wenige Prozent des Retail Marktes. Somit wohnt vielen Aufsätzen ein gewisses Wunschdenken inne: es lohnt sich, die Argumente zu reflektieren, aber man soll sie mit dem praktischen Kundennutzen in der Realität abgleichen. Der Transformationsprozess der Banken stecke noch im Self-Service-Modus – jetzt kommen digitale Assistenten, die dank künstlicher Intelligenz, Big Data, Predictive Analytics und Sprachassistenz immer «menschlicher» funktionieren würden. Deswegen wird in den USA mehr Geld in FinTechs investiert als für den Transformationsprozess bestehender Banken ausgegeben.
Es bleibt spannend. Banken werden nach Meinung des Autors Robert Freitag nur überleben, wenn sie gegensätzliche Wettbewerbsstrategien im eigenen Haus vereinen, Kundenbedürfnisse antizipieren und frühzeitig adressieren und Technologien agil und schnell adaptieren können. Wer sich für die Zukunft der Finanzdienstleistung interessiert, lese dieses Buch. Das Schlusswort überlasse ich Lucius Annaeus Seneca: «Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer».
© Reto Spring
Dipl. Finanzplanungsexperte NDS HF, CFP®
Präsident Finanzplaner Verband Schweiz, Zürich
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