Zum Autor Nassim Taleb
Nassim Nicholas Taleb ist Finanzmathematiker und Philosoph. Und als ehemaliger Trader zählt er heute zu den bekanntesten Essayisten und Querdenkern, wenn es um die Themen Risiko, Glück, Wahrscheinlichkeit und Entscheidungsfindung geht.
Buchkritik und Zusammenfassung
Vorab: sein prophetisches Buch «Der Schwarze Schwan» war eine Klasse für sich. Aber die in «Skin in the Game» aufgeworfenen Fragen drehen sich fast alle darum, wie Gewinne und Verluste fair verteilt werden sollen – und dass nur wer seine eigene Haut riskiert, für sein Handeln also persönliche Verantwortung trägt, auch ernst zu nehmen ist.
Sein neuestes Buch ist in acht Teile von insgesamt 19 Kapiteln gegliedert – fast 350 Seiten wollen erst gelesen und dann auch verstanden werden, was aber niemanden daran hindern soll, beides zu versuchen. Die Hauptanliegen von «Skin in the Game» sind: 1. Die Ungewissheit und die Zuverlässigkeit von Wissen, 2. Symmetrie in zwischenmenschlichen Angelegenheiten, 3. Informationsaustausch bei Transaktionen und 4. Die Rationalität in komplexen Systemen und in der Realität. Was akademisch trocken daherkommt, wird bei Taleb in gewohnter Manier aufgelockert durch historische Reminiszenzen, selbstironische Erkenntnisse und den einen oder andern Seitenhieb auf dilettantische «Kollegen» (wobei auch Nobelpreisträger ihr Fett abbekommen).
Dazu ein paar Zitate aus dem reichen Fundus von Talebs Welt:
- «Meine Erfolgs-Definition: Ein ehrenwertes Leben zu führen».
- «Gesetze kommen und gehen. Die Moral bleibt».
- «Der Markt ist wie ein grosses Kino mit kleiner Tür».
- «Lassen Sie sich nicht von Personen beraten, die davon leben, Ratschläge zu geben, es sei denn, sie haften für die Folgen».
- «Handwerker bringen ihre Seele ins Spiel».
- «Keiner ist grundlos Akademiker».
- «Massgeblich ist nicht, was eine Person hat oder nicht hat, ausschlaggebend ist, was sie Angst hat zu verlieren».
Nach Talebs Ansicht, kaufen sich Arbeitgeber Zuverlässigkeit, denn angestellte Personen sind risikoscheu. Sie lassen sich manipulieren, domestizieren und konditionieren. Er vergleicht die Managerkaste als «überbezahlte Sklaven, die sich dessen bewusst sind, aber Angst haben, diesen Status zu verlieren. Ein Hund überlebt auf sich gestellt nicht, ein Wolf schon… ».
Taleb äussert ein gewisses Verständnis für Menschen, die sich über Akteure ärgern, die abkassieren, ohne ihre Haut aufs Spiel zu setzen. Sein Motto lautet: Freiheit hat immer etwas damit zu tun, dass man ein Risiko eingeht.
Heute «arbeiteten» zu viele Menschen in einer irrealen Welt – ohne Bezug zur Praxis und vor allem ohne persönliche Verantwortung und mögliche Folgen ihres Tuns. Dazu zählt er auch Wissenschaftler, die nie einem Brotjob nachgegangen seien und hält eine Standpauke gegen Piketty und Pinker. Die Zeit werde darüber urteilen, oder wie Periander von Korinth vor 2500 Jahren (!) gesagt haben soll: «Man verwende Gesetze, die alt, und Nahrungsmittel, die frisch sind».
Wer Talebs etwas ausschweifenden Stil mag, kommt voll auf seine Rechnung. Alter und Erfahrung ist es wohl zuzuschreiben, dass er gegen den Schluss noch einen Ausflug in vergleichende Religionswissenschaften unternimmt und seinen persönlichen Krieg gegen ein paar unterbelichtete Kollegen ausficht – hier hätte er sich besser ans eigene Statement gehalten: sich aufs Wesentliche zu konzentrieren, zum Beispiel sein Fazit:
«Mut (Risikobereitschaft) ist die höchste Tugend. Wir brauchen Unternehmer».
Taleb bildet sich viel ein auf sein Universalwissen (und seine levantinische Herkunft!) und geniesst seine Deutungshoheit im Bereich Statistik und Verhaltensökonomie. Sein neuestes Werk ist amüsant, bereichernd und stimulierend – ein Rundumschlag eines Freigeistes mit viel «Skin in the Game».
© Reto Spring
Dipl. Finanzplanungsexperte NDS HF, CFP®
Präsident Finanzplaner Verband Schweiz, Zürich
Kommentar hinzufügen