Zum Autor Frank Schirrmacher
Frank Schirrmacher (Jg 1959, gestorben 2014) studierte in Heidelberg und promovierte in Cambridge und war seit 1994 als Herausgeber der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) einem breitem Publikum bekannt. Seit der Jahrtausendwende beschäftigte er sich vornehmlich mit dem Alterungsprozess und dem demographischen Folgen, und galt mit seinen Publikationen und Büchern als Vordenker, bis er 2014 viel zu früh aus dem Leben schied. Das preisgekrönte Buch thematisiert den Krieg der Generationen und ist nach wie vor brandaktuell.
Buchkritik und Zusammenfassung
Der Mensch konnte sich immer langsam an veränderte Bedingungen anpassen. Er wurde in 99,9% seiner Entwicklungszeit auf Erden nie älter als 30 Jahre. Man hat nie Skelette gefunden von Menschen über 50. Innerhalb einer Generation mussten nun einhunderttausend Jahre alte Prägungen von Körper und Geist überwunden werden, so Schirrmacher. „Wenn die Mehrheit einer Gesellschaft zu den Älteren gehört, schwindet automatisch die Ressource Zukunft.“
Haben die Menschen die Natur überlistet? Eine Gruppe, die ihren biologischen Zweck längst erfüllt hat und nicht mehr fortpflanzungsfähig ist, bildet die Mehrheit – eine erstmaliges und einmaliges Ereignis in der Evolution. Wie wird sich die Gesellschaft verändern, wenn die aktive Generation drei weitere ernähren muss (Kinder und zwei Rentner-Generationen)? 2050 wird die Hälfte der über 65-Jährigen in China leben – was bedeutet das für die Welt? Wir müssen in den nächsten 30 Jahren ganz neu lernen zu altern – oder jeder Einzelne wird finanziell, sozial oder seelisch gestraft, so Schirrmacher und er sieht einen Angriff auf die Bewohner Europas von zwei Fronten: Sie leben länger und sie bekommen weniger Kinder.
Schirrmacher beklagt, dass viele Menschen sich selbst betrügen: Sie glauben, sie würden diese Zukunft nicht mehr erleben, oder sie misstrauen den demographischen Daten, obwohl die Berechnungsbasis ja auf keinen mathematischen Variablen, sondern auf der real existierende Bevölkerung beruht.
Der Autor prägt das Wort „Lebenszeitmillionär“ und zeigt uns ein Umkehrbild: Statt Oma im Schaukelstuhl umringt von Kindern sehen wir ein Kind umgeben von vielen Omas.
So sieht der Verteilkampf der Zukunft aus: Es geht um Altenheimplätze, um Rente, um Zugang zu den wenigen Jungen. Welche Option wählt eine überalterte Bevölkerung: Ausbildung der Kinder oder Ausbau der Renten? Ist unsere Gesellschaft bereit für eine Lebenserwartung von 100 Jahren?
Age Quake und das Komplott
Als die DDR in die BRD integriert wurde, wuchs die deutsche Bevölkerung um 18 Mio. 2050 wird die Bevölkerung um diese Zahl wieder abgenommen haben – nur durch die demographischen Effekte.
Schirrmacher zeigt mit der Ohio-Studie (1975-1995), dass positive Einstellung zum Alter zu einem siebeneinhalb Jahren längerem Leben führt. Das heisst, das Selbstbild und ein positives Bild des Alterns haben einen grösseren Einfluss als Auswirkungen von Bluthochdruck und Cholesterin. Schirrmacher wendet sich mit seinem Buch gegen die Alterslüge und fordert einen Aufstand der Alten.
Mit gutem Grund weist der Autor auf die Philippika, worin sich Frau Doris Roberts 2002 vor dem amerikanischen Senatsausschuss für Altersfragen gegen die Altersdiskriminierung gewehrt hat: absolut lesenswert! Es ist ein Aufruf gegen die Gerontophobie, gegen Entmündigung und das pauschale Schuldgefühl gegen alle, die noch ein Geburtsjahr mit einer 19 vornedran haben, dass sie an den Problemen der Welt schuld seien: man wird geboren, atmet und lebt, fährt Auto und verschwendet Ressourcen und stirbt nicht früh genug. Die wissenschaftliche Rehabilitierung zur geistigen Leistungsfähigkeit im Alter ist mittlerweile erbracht und die persönliche Zufriedenheit alter Menschen ist viel höher als allgemein angenommen, so Schirrmacher: Zwei Drittel fühlen sich gesund oder zumindest gesünder als ihre Altersgenossen.
© Reto Spring
Dipl. Finanzplanungsexperte NDS HF, CFP®
Präsident Finanzplaner Verband Schweiz, Zürich
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