Über den Autor Oliver Burkemann
Oliver Burkemann, Jg 1975, ist ein angesehener Feuilletonist aus Grossbritannien, der unter anderem für den Guardian, die New York Times und das Wall Street Journal schreibt und in New York lebt. Seine These ist, dass das Leben zu kurz sei für Zeitmanagement.
Buchkritik und Zusammenfassung
Der stetig zunehmende Zeitdruck, immer mehr Aktivitäten in eine begrenzte Menge Zeit zu packen, um das meiste aus unserer Zeit herauszuholen, sei nicht zielführend. Die Menschen würden „in einer neuen Form immerwährende Gegenwart“ feststecken, so der Autor: „Produktivität ist eine Falle“. Das Problem bei dem Versuch, die Zeit zu beherrschen, besteht darin, dass man am Ende von der Zeit beherrscht wird.
Selbst Gutverdiener sagten zuweilen, dass ihr Lohn der konstante Zwang ist, „mit erdrückender Intensität zu arbeiten, um das Einkommen und den Status aufrechtzuerhalten, die ihnen als Voraussetzung für das Leben erscheinen, das sie führen wollen“ (Daniel Markovits) Der Autor plädiert dafür, das Verhältnis zur Zeit neu zu überdenken. Man dürfe keine Angst haben, etwas zu verpassen – darin liege eine bewusste Entscheidung!
Die Beschreibung der Effizienzfalle im ersten Teil des Buches, zeigt wie das Abarbeiten der Email-Flut praktisch aussichtslos ist, weil sich die Bearbeitungszeit nochmals beschleunigt und die Erwartungshaltung zunimmt. Das führe unter anderem dazu, dass man kleine unwichtige Dinge erledigt und die wichtigen, aber mehr Zeit erfordernden Herzensangelegenheiten aufschiebt.
Heutzutage soll alles „reibungslos“ ablaufen (darauf bauen viele Geschäftsmodelle auf wie zum Beispiel Online-Handel). Diese Bequemlichkeitskultur hat zu Folge, dass achtsame Beziehungen zur physischen Umgebung abnehmen. Seine Losung heisst “Entscheidungshygiene betreiben“, also bewusst weg- und loslassen.
Die Bestandesaufnahme der Problematik von Zeitmanagement wirkt schlüssig und gelungen. Der zweite Teil der Massnahmen hingegen hat die Tendenz, etwas ins Philosophisch-Esoterische abzugleiten und die vorgeschlagenen Massnahmen sind zum Teil etwas realitätsfern, bzw. nicht mit der heutigen Geschäftswelt vereinbar. Und nicht jeder ist so radikal, sich durch Freiberuflichkeit den Zwängen der Geschäftswelt entziehen zu können und so das einfachere Leben dem einträglicheren, aber stressigeren vorzuziehen.
Somit bleibt man nach dem Lesen der knapp 300 Seiten, die ja auch wieder Zeit gekostet haben, etwas zwiespältig zurück. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass man die 4000 Wochen eines Menschenlebens nicht nur einfach gut nutzen soll, sondern im Moment leben und geniessen soll. Und man muss lernen, Nein zu sagen. Eine inspirierende Lektüre.
© Reto Spring
Dipl. Finanzplanungsexperte NDS HF, CFP®
Präsident Finanzplaner Verband Schweiz, Zürich
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