Ein Handbuch in ganzheitlicher Finanzplanung – für Profis und interessierte Leser

Über die Autoren Spring und Bechtiger

Die Autoren Pascal Bechtiger und Reto Spring sind ausgewiesene Experten im Bereich der Finanzplanung. Während Ersterer fundiertes akademisches Know-how als Dozent der OST (Ostschweizer Fachhochschule) einbringt, ist Reto Spring als Präsident der Finanzplaner Verbands Schweiz und Experte mit über 20 Jahren Finanzplanungspraxis in der Branche doch sehr bekannt.

Buchkritik und Zusammenfassung

Die Autoren spannen im Buch einen weiten Bogen von „Warum Finanzplanung“ über regulatorische und standesrechtliche Fragen bis hin zum eigentlichen Finanzplanungsprozess. Zu Beginn steht eine Einordnung der Finanzplanung unter Berücksichtigung der neueren Erkenntnisse der Verhaltensökonomie an. Löblicherweise zieht sich der moderne Behavioral Finance Ansatz durch das ganze Buch und der Leser wird nicht mit „Zahlenfriedhöfen“ überfordert. Hingegen wird die Wichtigkeit der kundengerechten Kommunikation sachgerecht und mehrfach unterstrichen – leider schlägt der Fachidiot noch immer den Kunden „tot“.

Die Autoren federn sind dabei eher spitz, so bringen die Autoren ihre Ansichten durchaus pointiert zu Papier, zum Beispiel:

„Unser Sozialversicherungsmodell stammt gefühlt aus der letzten Eiszeit, das Vorsorgemodell aus dem Mittelalter. In der digitalen Arbeitswelt sehen wir uns aber mit Herausforderungen des 21. Jahrhunderts konfrontiert. Diese Diskrepanz, dass die gesellschaftliche Realität und die tradierten Systeme […] mangels Reformen immer mehr auseinander klaffen, sorgt für Handlungsbedarf. Gesucht sind Orientierung und Sicherheit.“

Völlig zu Recht zeigen die Autoren auf, dass nicht der Mangel an Informationen das Problem ist, sondern die Umsetzungskompetenz geeigneter Massnahmen. Ergo benötigen Kunden ein sinnvolles und nachhaltiges Finanzcoaching, es hat aber einige Hindernisse. Die Informationsflut aus dem Internet führe, angesichts der Fülle von teils widersprüchlichen Handlungsempfehlungen, zu einer désinformation professionelle statt zu einem Erkenntnisgewinn. (Man bedenke hierzu auch den knackigen Begriff der Finanz-Pornografie, geprägt vom deutschen ETF – Papst Gerd Kommer). Der angeführte Vergleich zur Medizin ist sehr gut: So mancher Patient glaubt dank „Dr. med. Google“ zu wissen, welche Krankheit ihn plagt. Die Arztvisite soll nur noch die gefestigte Patientenmeinung bestätigen – ein Horrorszenario von dem Hausärzte wohl ein Lied singen können. Doch zurück zur Finanzplanung. In der Tat bewegt sich der zeitgenössische Finanzplaner in einem dynamischen Spannungsfeld zwischen Disruption und Evolution. Disruptiv, weil der Aufstieg der sozialen Medien zeitgleich mit der Erosion der Meinungshoheit der Experten daher kommt. Oder wie die Autoren treffend schreiben:

„Die Zunft der selbsternannten Finanzblogger, Anlage-Gurus und Wirtschafts-Astrologen ist weder kontrolliert oder reguliert noch zertifiziert“. Das ist scharf geschossen, bringt die Problematik aber sehr gut auf den Punkt: denn der Kunde stellt womöglich den Finanzblogger auf die gleiche Stufe wie einen ausgebildeten Finanzplaner – spätestens, wenn dann ein Vermögensschaden eintritt, beginnt dann das Wehklagen. Hier ist klarer Handlungsbedarf von Nöten.

Unter Evolution beschreiben die Autoren die langsame Wandlung des Berufs Finanzplaner vom Produktevermittler zum Finanzcoach, nicht ganz ohne feine Nadelstiche gegen die klassischen Banken oder Strukturvertriebe auszuteilen. Spannend genug: interessanterweise liegen bei aktuellen Umfragen zur Glaubwürdigkeit genossenschaftlich organisierte Firmen und unabhängige Finanzdienstleister vorn – möge sich dieser Trend verfestigen.

Sehr schön gelöst ist die grafische Aufmachung des Buchinhalts: in farbig abgestimmten Boxen hat es kompakte Take-aways zu den jeweiligen Kapiteln, quasi das Wichtigste nochmal als learning abgebildet. Dies macht vorliegendes Buch auch als Nachschlagewerk sehr wertvoll, es kann in der Tat als Handbuch für den Praktiker verwendet werden. Der Lesefluss wird durch die grafische Unterteilung dankenswerterweise aber kaum gestört, so macht ein Fachbuch Spass!

Einzig der harmoniebedürftige Leser sei vorgewarnt: der dezidierte Schreibstil der Autoren könnte bei einigen Lesern in der von konsensgeprägten Schweizer Diskurskultur womöglich unbequeme Fragen aufwerfen. Denn die Herren Bechtiger und Spring sind mutig und sprechen Klartext. Wer diesen mag und die Benennung von Ross und Reiter sehr schätzt, kommt voll auf seine Kosten.

Abgerundet wird das Werk von einem spannenden Ausblick mit Blick auf die Zukunftstrends der Finanzplanung. So werden beispielsweise die Integration von Nachhaltigkeitskonzepten in den Finanzplanungsprozess oder technologische Fortschritte wie Machine Learning erläutert, ohne die kritische Distanz missen zu lassen.

Fazit: es ist wahrlich eine Herkulesaufgabe, die moderne Finanzplanung kompakt und verständlich auf 200 Seiten darzustellen, ohne den Leser zu langweilen. Das ist den Autoren mit Bravour gelungen. „Orientierung statt Moneypulierung“ liest sich gut und verständlich und sollte eine Pflichtlektüre für Schweizer Finanzplaner und interessierte Laien sein.

© Uwe Scheunemann
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