Zu den Autoren Iwan Brot und Fritz Schiesser
Iwan Brot und Fritz Schiesser, beides ausgewiesene Experten und Dozenten für Finanzplanung, haben sich als Berater immer einen starken Bezug zur Praxis erhalten. Dieses Knowhow haben sie nun im Beobachter-Ratgeber zur Frühpensionierung eingebracht. Vorteil dieser Reihe ist die unabhängige Information für Konsumenten und Nicht-Fachleute. Als Nachteil hat sich bisher herausgestellt, dass sie an der Oberfläche blieben und mangels Praxiserfahrung der schreibenden Journalisten selten die Vernetzung der relevanten Fakten gelang. Ein Autor kennt keine Beraterhaftung…
Buchkritik und Zusammenfassung
Gelingt es dem Autoren-Duo mit Bank- und Versicherungshintergrund, die wesentlichen Punkte für Frühpensionierung auf 200 Seiten zu verdichten und verständlich zu erklären? Kann ein Laie danach seine Ruhestandsplanung selber an die Hand nehmen?
Die erste Frage kann man bejahen, die Autoren schaffen es erstaunlich gut, das 3-Säulen-System im Hinblick auf eine Frühpension zu erklären und den Leser anzuleiten, welche Planungsschritte mit einfachen Tools erfolgen sollen. Die zweite Frage ist da schon schwieriger zu beantworten – geht der Ratgeber doch auf Annuitätenmethode und Etappenkonzept ein, für die Finanzplaner lange die Schulbank drücken. Und aus der Praxis ist bekannt, dass viele Kunden schon bei einfacher Budget- und Liquiditätsplanung scheitern, geschweige denn, dass die Vorsorge mit steigendem Einkommen Schritt hält und sukzessive ausgebaut wird.
Das Buch liest sich flüssig, ohne viel Fach-Chinesisch und beinhaltet das Wesentliche zum Thema. Es verfällt nicht in Schwarzmalerei oder Schönfärberei, sondern behält einen ausgewogenen Stil – verdankenswerterweise wird auch auf unabhängige Berater und den FPVS hingewiesen. In Abgrenzung zu anderen Ratgebern des Beobachters konnten einige Themenbereiche nur angeschnitten (Tragbarkeit Eigenheim im Alter) oder nur oberflächlich erklärt werden (Kosten von Anlageprodukten). Zur Vereinfachung wurden die Auswirkungen von Inflation und niedrigen Zinsen vernachlässigt und die Lebenserwartung zwischen 80 und 85 angenommen. Es fehlen aber nicht wichtige Hinweise zur konservativen Interpretation von prognostizierten Daten auf den Vorsorge-Ausweisen.
Das Buch gibt Menschen, die sich mit ihrer Frühpensionierung auseinandersetzen, einen guten Einstieg, zeigt gleichzeitig aber auch Grenzen auf, denn ganz so einfach, wie dargestellt ist die Planung nun auch wieder nicht. Und Empfehlungen wie «auf realistische Renditen achten» helfen ohne weitere Erläuterung, was denn unter «realistisch» zu verstehen sei, nicht weiter. Und ein «Ablaufmanagement» bei Depots von lediglich einem Jahr kann bei einer Baisse auch nicht vor Schaden bewahren. Dass Früh-Rentner oft mit der Idee spielen, den (Vor-) Ruhestand im Ausland zu verbringen und von tieferen Lebenshaltungskosten zu profitieren, findet keine Erwähnung. Auch die Themen «Erben» und «Pflege» werden ausgeklammert.
Der Grundtenor lautet «Frühpensionierung ist machbar»… bei bescheidenen Lebenshaltungskosten mag das auch zutreffen und hier kann der Ratgeber helfen. Je höher das Haushaltseinkommen, desto nachteiliger sind die Einkommensverluste durch Plafonierung in der ersten Säule und durch die Umverteilung in der zweiten Säule. In diesen Fällen kann das fehlende Renteneinkommen nur durch massives privates Sparen kompensiert werden. «Sparen heisst nun mal Konsumverzicht», und das wird zu wenig deutlich gemacht. Für Haushaltseinkommen jenseits der 100’000-Franken-Schwelle ist der Ratgeber daher nur bedingt geeignet – aber das ist meist auch die Klientel, die sich durch einen Finanzplaner beraten lassen.
Insgesamt ein gelungenes Konzept, das man im Retail vorbehaltlos einsetzen kann. Wer sich auf Stufe «dipl. Finanzberater IAF» befindet, erhält eine gute Grundlage im Aufbau von Basiswissen in der Pensionierungsplanung. Es ist zu wünschen, dass der Beobachter bei der Auswahl der Autoren vermehrt auf Profis mit Praxisbezug setzt – so wie in diesem Fall. «Hohe Bildung kann man dadurch beweisen, dass man die kompliziertesten Dinge auf einfache Art zu erläutern versteht». (George Bernard Shaw). Q.e.d.
© Reto Spring
Dipl. Finanzplanungsexperte NDS HF, CFP®
Präsident Finanzplaner Verband Schweiz, Zürich
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