Zum Autor
Prof. Dr. Rolf Daxhammer lehrt an der ESB Business School in Reutlingen, Máté Facsar hat unter ihm studiert. Wer sich für Fragen der Verhaltensökonomie interessiert – ob Student oder Praktiker – ist mit diesem Buch gut bedient. Dieser relativ junge Forschungszweig der «Behavioral Finanance» (BF) hat in den letzten 30 Jahren bahnbrechende Erkenntnisse hervorgebracht. Auch bei Finanzmarkt-entscheidungen ist das Kleinhirn oft der aktivste Gehirnteil – daher sind immer auch Emotionen im Spiel und das Gehirn nutzt «Tricks» und «Abkürzungen», um rascher eine Entscheidung treffen zu können. Oder wie das die Akademiker formulieren: «Die BF basiert auf der Erkenntnis, dass die Marktteilnehmer aufgrund psychischer, mentaler und neuronaler Beschränkungen nur zu einem begrenzt rationalen Verhalten gemessen an der Erwartungsnutzentheorie fähig sind».
Buchkritik und Zusammenfassung
In insgesamt 12 Kapiteln, werden erst die neoklassische Theorie und dann die neuen Erkenntnisse der BF systematisch aufgearbeitet. Für uns Praktiker sind die Auswirkungen auf Anwendungen in der Finanzberatung interessant, auf die im zweiten Teil (ab S.275) dieses Buches eingegangen wird. Für das bessere Verständnis sei der erste Teil aber allen Lesern empfohlen, denn die Entwicklung des streng rationalen «Homo Oeconomicus» zum deutlich realitätsnäheren «Homo Oeconomicus Humanus» kann so viel besser nachvollzogen werden.
Die vom Kunden wahrgenommene Qualität einer Finanzplanung bestimmt deren Erfolg, das heisst die Art der Beratung, der Vertrauensaufbau und die Kommunikation mit dem Kunden, sowie die emotionalen Empfindungen geben dafür den Ausschlag. Viele Anbieter bewerben ihre Dienstleistungen aber rational, was wegen der Austauschbarkeit der Konzepte wenig Differenzierung schafft. Firmen und Berater, welche die Erkenntnisse der BF verinnerlicht haben und anwenden können, bietet sich daher eine grosse Chance, sich gegen Mitbewerber zu behaupten. Schliesslich unterliegen nicht nur Kunden, sondern auch Berater systematischen Verhaltensfehlern.
Es gibt aber kein Standardkonzept für alle Kunden, die Generation Y funktioniert anders als die der Babyboomer. Emotionen sind aber immer im Spiel und oft ein Grund für irrationales Verhalten.
Mittels «Nudging» (Beeinflussung) lässt man einem Kunden die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Optionen, steuert ihn aber subtil in eine Richtung, so die Autoren. Wenn eine Mensa das gesunde Menü fördern will, steht das «Fast Food» Menu weiter zu Auswahl, erscheint aber weniger attraktiv. Der Ansatz des «Financial Nudging» ist noch wenig verbreitet, aber bezüglich Altersvorsorge sehr empfehlenswert. «Wir neigen zur Überbewertung des heutigen Konsums gegenüber dem zukünftigen, und wir überschätzen unsere Fähigkeiten, zukünftige finanzielle Verpflichtungen zu erfüllen», so die Autoren. Statt des freiwilligen Abschlusses einer privaten Vorsorge («opt in») wäre zum Beispiel denkbar, den Start bei Beginn der ersten Festanstellung als Standard zu setzen und eine freiwillige Abwahl oder einen verzögerten Start anzubieten («opt out»).
Daxhammer/ Facsar legen mit der zweiten, überarbeiteten Auflage ein Werk vor, das den Spagat vom Lehrbuch für Studenten zum Nachschlagewerk für Praktiker schafft, es ist gut strukturiert, bietet einen Online-Wissens- Check und stellt aktuell wohl das beste deutschsprachige Buch zum Thema Behavioral Finance dar. «Können setzt Fleiss voraus, Erfolg Ausdauer», sagt ein Sprichwort. Für die Lektüre dieses Buches wie auch für unseren Beruf ist beides von Vorteil.
© Reto Spring
Dipl. Finanzplanungsexperte NDS HF, CFP®
Präsident Finanzplaner Verband Schweiz, Zürich
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