Was ist zu tun bei einem Börsencrash?
Von einem Börsencrash wird per Definition zwar nur bei starken Kurskorrekturen innert weniger Tagen gesprochen, jedoch verlief das Jahr 2022 für Anleger bisher einfach nur entsetzlich.
Wie immer in solchen Situationen, werden nun Stimmen lauter, die von einem Börsencrash 2022 und allfälligen noch grösseren Korrekturen sprechen. Nach einem jahrelangen Aufwärtstrend könnte dies einige, vor allem neue Anleger, stark verunsichern. Der Corona-Crash verursachte im Jahr 2020 den schnellsten Kursrückgang der Geschichte, war nach anfänglicher Panik aber sehr rasch wieder ausgebügelt. Nun wird wieder von einer Zeitenwende gesprochen.
Was ist bei diesem Kursrückgang anders und vor allem, was ist zu tun?
Zum Autor:
Samuel Clemann, Gründer von FINA Finanzplanung AG, hat über 10 Jahre Finanzberater im Bereich Kapitalanlagen ausgebildet. Er ist persönlich seit über 25 Jahren selbst im Aktienmarkt investiert.
Natürlich mögen wir Anleger vor allem die Aufwärtstrends. Insbesondere als Anlageberater freut man sich jeweils doppelt über neue historische Höchststände, weil diese auch für unsere Kunden erfreulich sind. Attraktive Renditen sind jedoch nie ohne den Preis von Schwankungen zu haben.
Und nun ist es wieder einmal soweit. Seit Jahresbeginn 2022 sind alle Indizes im Minus. Das Spezielle an diesem grossen Kursrückgang ist, dass selbst die als sicher geltenden Obligationenanlagen kurzfristig hohe Verluste hinnehmen mussten. Staatsanleihen steuern gar auf das schlechteste Jahr seit 1865! zu, was auch in sicherheitsorientierten Depots Verluste verursachte. Diese dürften sich jedoch nach den Zinserhöhungen auch wieder erholen.
Die Invasion von Russland in die Ukraine hat den Ölpreis um 40% in die Höhe schiessen lassen und die Erdgaspreise sogar verdoppelt. Der Krieg beeinflusst auch die Preise für landwirtschaftliche Produkte wie Mais und Weizen. Auch die Corona-Pandemie verursacht noch immer Störungen und Lieferengpässe weltweit.
Anlagerenditen seit Jahresbeginn (Stand 16.6.2022)
- -13% SBI (Index aus 900 Obligationen Schweiz)
- -18% SPI (213 grösste Aktienunternehmen Schweiz)
- -18% Euro Stoxx 600 (600 grösste Unternehmen Europa)
- -23% S&P 500 (500 grösste Aktien USA)
- -33% Nasdaq Composite (Über 3000 Technologieaktien)
- -53% Bitcoin (Grösste Kryptowährung)
- -68% Ether (Zweitgrösste Kryptowährung)
Der Goldpreis ist um 11% gestiegen, wie das in Krisenzeiten üblich ist.
Nach allen Börsencrashs wurden immer wieder neue Höchststände erreicht
Selbst starke Schwankungen wie wir sie gerade jetzt erleben, gehören dazu und sind gewissermassen normal.
Für mich persönlich war der erste mit eigenen Investments erlebte Crash das Platzen der Dotcomblase ab dem Jahr 2000. Ein Jahr darauf flogen dann am 11. September Flugzeuge in die Twin Towers und ein weiteres Jahr darauf mussten grosse Unternehmen Bilanzfälschungen melden. Drei Jahre hintereinander negative Renditen. Damals verloren ich und viele anderen Anleger auf dem Papier 50% des Ersparten. Wenige Jahre später wurden aber wieder neue Höchststände erreicht.
2008 verursachte die Finanzkrise dann den zweitgrössten Crash der letzten 120 Jahre. Doch nach gerade mal dreieinhalb Jahren wurden erneut Höchststände erreicht. Bis Ende 2021 konnten gut diversifizierte Aktiendepots nach dem neu erreichten Hoch dann ihren Wert noch einmal mehr als verdoppeln.
Es lohnt sich, Geduld zu haben und durchzuhalten.
Sicherheit kann nur ein breit diversifiziertes Portfolio bieten.
Anlagen in einzelne Länder- oder Branchenfonds oder einzelne ETF’s können auch dauerhaft in der Verlustzone verbleiben. Noch risikoreicher ist das Wetten auf wenige Titel, auf Geheimtipps oder gar auf Kryptowährungen.
Die Aussagen in diesem Artikel beziehen sich deshalb ausschliesslich auf breit diversifizierte professionelle Anlagedepots.
Gemäss allen Untersuchungen der letzten Jahrzehnten ist eine gute Asset Allocation – die optimale Verteilung der Anlage auf verschiedene Anlageklassen, Länder, Branchen und Titel – für über 90% des Anlageerfolgs entscheidend.
Deshalb lauten die Grundsatz Empfehlungen:
- Nur Geld anlegen, auf das mehrere Jahre verzichten werden kann
- In ein Portfolio mit breiter Asset Allocation investieren
- Gemäss Risikoprofil den maximalen Aktienanteil festlegen und daran festhalten
Auch wenn Kurskorrekturen damit nicht ausgeschlossen werden können, erhalten Sie damit die höchstmögliche Sicherheit.
Von Verlust kann erst gesprochen werden, wenn Sie verkaufen
Ein Buchverlust ist erst einmal nur eine Zahl in einer Datenbank. Wenn Sie geplant haben, das Geld langfristig anzulegen, hat diese Zahl keinen realen Einfluss auf Ihr Leben. Erst wenn das Geld gebraucht und auch bezogen wird, kann definitiv von einem Gewinn oder Verlust gesprochen werden. Der oft zitierte Ausspruch des grossen Kostolany hat noch heute seine Gültigkeit:
Legen Sie Ihr Geld in Aktien an. Nehmen Sie Schlaftabletten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich! Zitat: André Kostolany
Deshalb ist auch in der aktuellen Zeit wieder einmal viel Geduld gefragt.
Benötigen Sie direkt nach einem Crash Geld aus Ihrem Depot?
Wenn Sie direkt nach einer Kurskorrektur Geld benötigen, ist das ungünstig. Sprechen Sie mit einem professionellen Berater und prüfen Sie alle Alternativen, bevor Sie verkaufen.
Wenn Ihnen dies im Leben einmal widerfährt und Sie danach trotzdem unbeirrt weiter mit der richtigen Strategie investieren, gehören Sie höchstwahrscheinlich zum Schluss trotzdem zu den Gewinnern.
Sollten Experten einen Crash nicht voraussehen können?
Gemäss der breit anerkannten efficient market theory EMT, sind (in effizienten Märkten) jederzeit alle bekannten Risiken und gleichzeitig sämtliche Chancen in den aktuellen Kursen eingepreist. Daraus folgernd wurde immer wieder aufgezeigt, dass Timingstrategien – ein abwarten auf ein Tief bevor investiert wird, oder ein Verkauf von Anlagen um einen potenziell bevorstehenden Börsencrash zu meiden – in der Praxis nicht funktionieren.
Folgende Aussagen dazu wurden bereits vor über 40 Jahren von Peter Lynch, einem der historisch erfolgreichsten Fondsmanager, gemacht:
“Die Anleger haben weitaus mehr Geld verloren, als sie sich auf Korrekturen vorbereiteten oder versuchten, Korrekturen vorherzusehen, als bei den Korrekturen selbst.”
“Time in the market beats timing the market!”
Kurzfristige Prognosen der Aktienmärkte sind praktisch immer falsch. Beispielsweise haben weniger als 0,2% der Analysten und Börsenexperten die grosse Finanzkrise ab 2007 vorhergesagt.
Deshalb ist es für Anleger besser, das Markttiming ausser Acht zu lassen und Korrekturphasen auszusitzen. Auch der wohl erfolgreichste Anleger aller Zeiten, Warren Buffett, ist klarer Befürworter einer buy and hold-Strategie. Das bedeutet, langfristig anzulegen und nicht auf die kurzfristigen Schwankungen zu achten.
Artikel über bevorstehende Börsencrashs
Crash-Propheten, die Jahr für Jahr den grossen Kurssturz prognostizieren, gibt es zuhauf. Irgendwann haben sie Recht damit. Danach schlachten sie diese eine richtige Prognose medienwirksam aus.
Solchen Personen wird in den (Sozialen) Medien oft unverdient allzu viel Beachtung geschenkt. Es ist nicht zielführend, einem “Crash-Propheten” zu folgen. Manchmal werden diese “Experten” von echten Profis etwas despektierlich One-Trick-Ponys genannt. Damit bezeichnen Amerikaner jemanden, der nur einen einzigen Witz kennt oder ein einziges Kunststück beherrscht.
Ist jetzt der richtige Zeitpunkt zum Einsteigen?
Gemäss der bereits zitierten EMT wäre es nun wiederum falsch, einen Börsencrash im 2022 für den optimalen Einstiegszeitpunkt zu halten. Das würde den Erkenntnissen über Timingstrategien widersprechen.
Was zum jetzigen Zeitpunkt jedoch besonders stark für Sachwertanlagen wie beispielsweise Aktien spricht, ist die stark gestiegene Geldentwertung. Und die Bereitschaft der Zentralbanken, die Zinsen zwar zu erhöhen, aber trotzdem auf einem künstlich tiefen Niveau zu belassen, um den Markt nicht abzuwürgen.
Die Inflation ist hoch, Bankkonten verursachen garantiert einen Verlust!
Die Inflationsraten übersteigen nicht nur Sparkontenzinsen, sondern auch die Zinsen von Staatsanleihen bei weitem.
Inflationsraten (Juni 2022):
CH: 2,9%
EU: 8,1%
USA: 8,3%
Zinssätze 10-jährige Staatsanleihen (Juni 2022):
CH: 0,96%
Deutschland: 1,28%
USA: 2,96%
Vermögen auf Schweizer Bankkonten verloren historisch nach Steuern und Inflation in guten 10-Jahresperioden real um die 10% an Wert. In schlechten Perioden sogar bis zu 40%. Mehr dazu…
Damit mehr aus Ihrem Geld wird, gilt deshalb folgendes:
- Investieren Sie sofort, wenn Sie Geld haben, das Sie mehrere Jahre nicht benötigen
- Bleiben Sie investiert
- Legen Sie gemäss Ihrem persönlichen Risikoprofil an
- Nur eine breite Asset Allocation bietet Sicherheit
Historische Aktienmarktentwicklung
Nach einem dramatischen Kursrückgang ist es jeweils an der Zeit, den Blickwinkel von oben einzunehmen und sich die historische Entwicklung des Aktienmarktes zu vergegenwärtigen.
Nach jedem Crash sind unerfahrene Anleger verunsichert. Andererseits sind nach einer Hausse auch meist zu hohe Erwartungen spürbar. Die Realität liegt in der Mitte und pendelt sich langfristig ein und daran sollten Sie sich halten:
Mit Aktienanlagen sind Renditen von 5-8% jährlich realistisch, wenn über 10 Jahre gehalten wird.
Es ist deshalb als Anleger:in wichtig, weder Panik noch Gier zum Opfer zu fallen, sondern realistisch und langfristig zu denken. Dies ist einfacher zu bewerkstelligen, wenn kurzfristigen News keine Beachtung geschenkt wird.
100 Jahre Durchschnitt von Schweizer Aktien- und Obligationenrenditen
Seit 1923 betrugen die durchschnittlichen Jahresrenditen Schweizer Titel:
- 8% bei Aktien (grösster Jahresverlust -34% im Jahr 2008)
- 4,1% bei Obligation (grösster Jahresverlust -4% im Jahr 1989)
Wann lohnt sich eine Anlageberatung?
Dieser Artikel ersetzt keine professionelle Anlageberatung und soll keinesfalls unbedarfte Anlageentscheide provozieren. Eine persönliche Beratung durch ein:e unabhängige:r Fachexpert:in kann in jedem Fall helfen, teure Fehler zu vermeiden.
Achten Sie bei einer Beratung auf folgendes:
- Fragen Sie nach, bis Sie alles verstanden haben. Im Zweifel sollten Sie eine unabhängige Zweitmeinung einholen.
- Akzeptieren Sie nur Beratungen von gesetzlich zugelassenen Personen (FIDLEG konform, Gesetz ist seit 2022 in Kraft).
- Ziehen Sie sich sofort zurück, wenn hohe garantierte Renditen versprochen werden.
- Lassen Sie sich niemals drängen. Es ist Ihr Geld und deshalb zu jeder Zeit Ihr persönlicher Entscheid, was Sie damit tun möchten!
Unsere Anlagespezialisten beraten Sie gerne mit aller gebotenen Sorgfalt.
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